Da kann Multi-Kulti noch so oft beschworen und der Karneval der
Kulturen noch so verbissen gefeiert werden, Deutsche mit nicht-stereotypem
Erscheinungsbild werden immer wieder mit „nett gemeinten“ Fragen,
Ratschlägen und Bemerkungen ihrer Weißen Mitbürger_innen
konfrontiert, die sich bei näherem Hinsehen als alte Vorurteile
in politisch korrekter Aufmachung entpuppen.
Ü
bertriebenes Verständnis mag gut gemeint sein und stellt sich
doch nur als eine andere Ausprägung von Unbehagen und diskriminierenden
Ressentiments dar.
Und in der Frage „Wo kommst du her?“ steckt auch immer
die Frage „Wann gehst du wieder zurück?“ und die
Annahme der fragenden Person „Wer schon immer hier war, hat
mehr Rechte.“
Schwarz und Deutsch zu sein, bzw. als schwarzer Mensch in Deutschland
zu leben, wird immer wieder als belastet erlebt. Die Biographien
afro-deutscher Menschen, aber auch anderer Bindestrich-Deutscher
mit türkischen, asiatischen oder jüdischen Wurzeln spiegeln
das wider.
 So
geht es auch um eine in Straßen- und Haltestellennamen verewigte
und unbearbeitete koloniale Vergangenheit und um Ansichten und Verhalten,
die an den Kolonialismus früherer Tage anknüpfen. Dies
zu thematisieren gelingt sowohl als politischer Aufruf als auch als
parodistische Gesangseinlage

Die Schauspieler_innen von LABEL NOIR zeigen, dass
Definitionen von Identität, Heimat, nationaler und menschlicher
Zugehörigkeit komplexer sind und mehr umfassen als Kategorisierungen
nach Hautfarbe, Pass oder Herkunft der Eltern.
Irgendwann im Stück geht es dann ausschließlich um Partnerschaft
und Liebe und die Thematisierung von Rassismus ruht. Das Äußere
kehrt sich ins Innere und Missverständnisse bleiben Gegenstand
der Erläuterung. Wenn die Frage fällt "Liebst Du mich
eigentlich?", kann jede Antwort nur die falsche sein.

„Heimat, bittersüße Heimat“ richtet sich
an afro-deutsche / Schwarze Menschen in Deutschland und an alle anderen,
egal welcher Hautfarbe, Nationalität oder Gesellschaftsschicht.
Vom Stück profitieren alle.
Die Einen, weil sie ihre bisher im Theater kaum thematisierten Erfahrungen
des Ausgegrenzt- und Exotisiertwerdens endlich einmal kommuniziert
sehen.
Die Anderen, weil sie durch die Infragestellung konventioneller / „üblicher“ und
die Eröffnung neuer Perspektiven vertraute Stereotype zu hinterfragen
beginnen.
„Heimat, bittersüße Heimat“ ist gelebter
Patriotismus, zu dem die jeweils eigenen emotionalen Brüche
der Schauspieler_innen gehören, und endet mit einem Vorbehalt,
der noch aufzulösen ist.
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